Reise nach Kalkutta

#15 Indien: Reise nach Kalkutta

Nach zwei Wochen in Tamil Nadu fuhren wir mit dem Zug von Chennai im Südosten nach Kalkutta im Nordosten Indiens. Für 29 Stunden war dieser Zug nun unser Zuhause. Kurz vor Mitternacht ging’s los.

Tag und Nacht im Zug

Nach einer kurzen Nacht weckten uns morgens die lautstarken Chaiwalas mit frischgebrautem Chai-Tee. Tagsüber tauchten wir tief in den indischen Zugalltag ein. Es wurde gesungen und musiziert und auch unsere Sitznachbarn waren sehr unterhaltsam. Verhungern musste man im Zug übrigens keinesfalls. In jeder Station marschierten zahlreiche Händler durch den Zug und verkauften ihre Speisen. Ihre energische und eindringliche Stimme ist noch Monate später in unserem Gehör.

Etwas anders war es mit dem Trinkwasser. Bei längeren Stopps in größeren Bahnhöfen entartete ein regelrechter Kampf am Bahnsteig. Dort gab es nämlich einige wenige Stellen, an denen es sauberes Trinkwasser gab. Mit Anstellen oder dem üblichen Drängeln war diesmal allerdings nicht viel zu holen. Zu unserem Glück stand uns unser Sitznachbar, seines Zeichens Polizist und erfahrener Bahnfahrer, mit vollem Stimm- und Körpereinsatz zur Seite.
Eine Sache, die uns während der Fahrt ziemlich schockierte – jeglicher Müll wurde ganz selbstverständlich durch das offene Fenster entsorgt.

Ashram-Suche in Kalkutta

Nach der zweiten Nacht, immer noch im selben Zug, erreichten wir pünktlich nach 29 Stunden und 1700km Fahrt den Bahnhof in Kalkutta. Mit einem gelben Oldtimer-Taxi ging es zu unserer nächsten Station. Wir planten die letzten zwei Wochen in Indien in einem indischen Ashram, vergleichbar mit einem Kloster, zu verbringen. Dort wollten wir mehr über den Hinduismus und die indische Philosophie lernen. Daher hatten wir bereits im Vorfeld nach Ashrams in Kalkutta gesucht und wurden im Internet beim Janakalyan Sangha Sebashram fündig. Auch der Leiter klang am Telefon sehr nett.

Was nun folgte war aber eher schräg. Der Ashram war ein kurz vor dem Einsturz befindliches Betonkonstrukt. Aus den Steckdosen kamen mehr Funken als Strom und das Einschalten des Deckenventilators glich dem Geräusch eines Presslufthammers. Auf den Zustand von Klo und Dusche möchten wir aus Pietätsgründen nicht näher eingehen. Wir waren an sehr einfache Unterkünfte ja durchaus gewöhnt, aber das ging doch eher in die Kategorie „gefährlich“. Außerdem waren wir neben den drei dauerhaften Bewohnern des Ashrams, die einzigen Gäste.

Darum beschlossen wir noch am gleichen Tag den Ashram wieder zu verlassen und fanden über Couchsurfing Unterkunft bei Rakesh. Dieser wohnte in einer neueren Gegend von Kalkutta. Dort blieben wir erstmal für ein paar Tage, um uns von den langen Reisen und der Hitze zu erholen. Die gefühlte Temperatur bewegte sich in dieser Zeit um die 50° Celsius.

In diesen Tagen setzten wir auch die Suche nach einem Ashram fort. Allerdings machten uns komplizierte Aufnahmekriterien beziehungsweise die indische Bürokratie immer wieder einen Strich durch die Rechnung und nach zahlreichen Anfragen und persönlichen Vorstellungstreffen gaben wir schließlich unser Vorhaben auf.

Das Land der Gegensätze

Nach einer Woche bei Rakesh übersiedelten wir zu Sourav, einem weiteren Couchsurfer. Dieser stellte uns seinen Onkel vor, ein Multimillionär aus Bangladesch, der sein Geld mit verschiedenen Kleidungsfabriken verdient. Im Audi fuhren wir zu jedem seiner drei Luxushäuser, wo wir unter anderem weiße Marmorböden, goldene Wände und einen 4000-Euro-Papagei vorgeführt bekamen. Angesichts der überall sichtbaren Armut in Kalkutta ein Kontrast, der für uns nur schwer zu begreifen war. Wenige Augenblicke zuvor hatten wir noch Kinder ohne Kleidung am Straßenrand schlafen gesehen…

Indien war eine große Herausforderung für uns, ein großer Kontrast in vielerlei Hinsichten. Reichtum und große Armut, wunderschöne Landschaften und Berge von Müll, freundliche Begegnungen und Aggressivität im Abstand von drei Sekunden, Yoga und Ayurveda gegenüber einem Alltag mit Stress, Hektik und ständigem Verhandeln.

Eine kurze Geschichte von unserem Ausflug zum Tempel Belur Math verdeutlicht diese Dinge. Nachdem uns ein älterer Herr an seinem Straßenstand die Kunst der Chapatti-Brot-Herstellung vorführte, ging es mit einem Öffibus zum Tempel. Auf dem Weg im völlig überfüllten Bus fuhren wir einen Mopedfahrer nieder, der glücklicherweise kurze Zeit später wieder aufstand. Wir rasten durch eine Herde von Kühen mitten in der Stadt, in Indien sowieso ganz normal. Und wir fuhren einem weiteren Bus hinterher. Dieser war allerdings völlig verschrottet und wurde gerade abgeschleppt, was uns bei der indischen Fahrweise nicht weiter überraschte. Schließlich kamen wir zum großen Tempel Belur Math am Ufer des Ganges.

Dort wurden wir von freundlichen Familien und kleinen Kindern neugierig belagert und waren Selfie-Partner-Nummer-1. Im Büro des Tempels fragten wir ob es möglich wäre, für eine Woche zu bleiben und im Alltag mitzuarbeiten. Daraufhin wurden wir von einem Mönch aus dem Büro gejagt, weil er hier keine Touristen wolle. Fünf Minuten später bekamen wir von einem anderen Mönch weise philosophische Worte und eine Schachtel mit frischen Früchten geschenkt. Auf der Rückfahrt sahen wir große Werbetafeln für neue Luxuswohnungen. Die Werbetafeln standen mitten über den Slums.
Auszug eines kurzen Nachmittags – unser ganz „normaler“ Alltag in Kalkutta.

Die süßen Seiten von Kalkutta

Unser persönliches Highlight? Es war gerade Mangosaison. Der Geschmack dieser Mangos… schwer in Worte zu fassen. Um die zehn Stück verputzten wir jeden Tag. Kostenpunkt – umgerechnet 1€. Als passende Ergänzung gab es an jeder Straßenecke die besten Pralinen zu kaufen. Und so gab es zu Sebi’s Geburtstagspicknick beim Victoria Memorial jede Menge Mangos, Pralinen und eine indische Süßspeise mit dem klingenden Namen „Futschka“. Sweets for my sweet, sugar for my honey…

Und schließlich gingen unsere zwei Monate in Indien dem Ende zu. Unser Flug nach Bali stand bevor. Auf der 8km langen, 2-stündigen Fahrt zum Flughafen durften wir das indische Verkehrschaos nochmal hautnah erleben und wir ließen unsere Erfahrungen Revue passieren. Yoga, Meer, Natur, Farm, Hochzeit, Zug, Dorf, Großstadt,… für uns war alles dabei.

Jetzt freuten wir uns auf Bali, wo wir uns den Alltag wieder einfacher und entspannter vorstellten…

Und wie es weiterging, siehst du hier